Geistlicher Impuls vom 15. Mai: Maria, breit den Mantel aus

von Dominik Potthast, Pastoralreferent

Der ist Mai ist der Marienmonat. Eigentlich eine Zeit für Maiandachten – oft draußen in der Natur oder in der Bauernschaft Geist traditionell im Schützenheim. Maiandachten zeichnen sich durch eine besondere Atmosphäre aus: der andere Ort, der frühlingshafte Blumenschmuck neben einer Marienstatue und passende Marienlieder.

Eines dieser Marienlieder ist das Lied „Maria, breit den Mantel aus“. Es steht im Gotteslob unter der Nummer 534. Ich bevorzuge die Innsbrucker Melodie, die hier abgedruckt ist. Sie ist erhaben und fröhlich. Der Refrain erinnert mich an Fanfarenklänge.

Dieses beliebte Marienlied stellt die Bitte um den Schutz Mariens in den Vordergrund. Die Gottesmutter soll die Christenheit vor allen Gefahren und Feinden beschützen. Insgesamt bleibt der Text offen, was hilfreich ist, um das Lied bei vielen Gelegenheiten einsetzen zu können, neben Maiandachten beispielsweise Beerdigungen.

Ursprünglich gab es 29 Strophen, die zusammengetragen wurden. Die heute gesungenen vier Strophen sind entsprechend eine Auswahl, die sich vom Barock bis heute durchgesetzt haben. Als während des Kulturkampf Kanzler Bismarck durch antikirchliche Maßnahmen versuchte, die Rombindung der Katholiken zu lösen (Bismarck hatte Sorge, die deutschen Katholiken seien keine guten Patrioten, sondern seien stattdessen papsthörig.), wurde dieses Lied als Kampflied gegen die preußischen Protestanten gesungen. Maria sollte also die Evangelischen abwehren.

Im Mittelalter hatte Maria allerdings eine andere Funktion: Darstellungen von Schutzmantelmadonnen zeigen das, beispielsweise im Überlinger Münster (1563). (Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Schutzmantelmadonna#/media/Datei:Schutzmantelmadonna_Überlingen.jpg) Unten den Mantel Mariens drängt sich die Menschheit und sucht Schutz vor dem Zorn Gottes. Passend lautet die Bildunterschrift: „Es dräut die Not, Gott hält Gericht. Maria hilf, verlass uns nicht.“ Gottvater schleudert Pfeile auf die Welt. Maria trägt einen weiten Mantel, der von zwei Engeln über die Menschheit gespannt wird. Das Jesuskind auf ihrem Arm sowie die Engel versuchen, die von Gott geschleuderten Pfeile aufzufangen. Die übrigen Pfeile werden durch Marias Mantel entschärft. Die Darstellung zeigt deutlich: Maria schützt die sündigen Menschen vor der Strafe Gottes. Die Menschen hatten Angst vor Gott. Und so suchten sie Zuflucht bei Maria, bei der sie mütterliche Güte erhofften. Alle fühlten sich auf die Hilfe der Gottesmutter angewiesen, auch Päpste, Bischöfe und Könige.

Heute haben die wenigsten Menschen in unserer Gesellschaft diese Angst. Das finde ich auch gut so. Aus gutem Grund steht heute die Liebe Gottes im Vordergrund. Gott liebt seine Welt und seine Geschöpfe. Die Frage, die sich heute aber stellt: Wird Gott aber überhaupt noch ernst genommen? Ist aus der Angst des mittelalterlichen Menschen eine Gleichgültigkeit gegenüber Gott des postmodernen Menschen geworden? Spielt Gott überhaupt noch eine Rolle? Auch wenn man an ihn glaubt, muss das nicht heißen, dass er für den eigenen Lebensstil von Bedeutung ist. Beeinflusst also der Glauben das eigene Handeln?

In der Firmvorbereitung fällt kurz vor der Firmung der Begriff „Gottesfurcht“. Dieses Wort wird im Gebet in der Firmfeier genannt. Ich denke, dass dieses Wort gut passt, wenn wir unsere Beziehung zu Gott beschreiben. Gottesfurcht meint meines Erachtens keine Angst vor Gott, die mich lähmt. Dafür ist mir die Barmherzigkeit Gottes zu wichtig geworden. Stattdessen klingt Gottesfurcht für mich nach Ehrfurcht. Ehrfurcht kann ich beispielsweise vor Menschen haben, die etwas Besonderes geleistet haben (z.B. Mahatma Gandhi). Oder ich kann besondere Achtung einer Idee (z.B. Feindesliebe) oder einer Sache entgegenbringen. Ein altes Familienbild kann ich mit großer Ehrfurcht behandeln.  Dann lasse ich einer Sache Würde zukommen und behandle etwas mit Respekt.

Ich halte es für wichtig, Gott diese Ehrfurcht entgegenzubringen. Das sollte nicht passieren, weil Gott sonst bestraft, sondern weil er unser Schöpfer ist. Auch wenn die Bibel von Gottes Zorn berichtet, so ist sie doch voll von seiner Barmherzigkeit, also seinem großen Gutsein zu uns und seiner großen Versöhnungsbereitschaft. Seine Liebe können wir nicht gleichwertig beantworten. Aber wir können dankbar sein und dieses im Gebet zeigen und wir können seinen Weisungen folgen (Gottes- und Nächstenliebe, Zehn Gebote etc.) und unser Leben in seinem Sinn gestalten.

Wenn ich heute das Lied „Maria, breit den Mantel aus“ singe, dann tue ich es aus Freude am Glauben. Der Kehrvers „Patronin voller Güte, uns allezeit behüte.“ macht mir Mut. Maria möchte mit mütterlicher Fürsorge für uns bei Gott einstehen. Aber ich vertraue darauf, dass diese Güte nicht ein Schutz vor Gott ist, sondern die Liebe Gottes bestärkt. Gott selbst ist die Liebe voller Barmherzigkeit und Güte zu uns Menschen.

Dominik Potthast, Pastoralreferent